Pastor schuf Abhängigkeitsverhältnisse

Mann spiegelt sich in Pfütze, auf der gelb-braunes Laub liegt

© Salome Guruli/Unsplash

Eine Studie beschreibt Pastor Klaus Vollmer als Mann, der seinen Einfluss auf junge Menschen missbrauchte, um homosexuelle Neigungen auszuleben. Es gibt Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an einem Minderjährigen. (Symbolbild)

Missbrauchsvorwürfe
Pastor schuf Abhängigkeitsverhältnisse
Eine Studie schildert den verstorbenen Pastor Klaus Vollmer als einen Mann, der seinen Einfluss auf junge Menschen missbrauchte, um homosexuelle Neigungen auszuleben. Zudem gibt es Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an einem Minderjährigen.

Der evangelische Pastor Klaus Vollmer (1930-2011) war in der hannoverschen Landeskirche und weit darüber hinaus für seine missionarische Arbeit bekannt. In seinem Nachruf 2011 würdigten leitende Theologen sein Charisma und seine Gabe, junge Menschen zu gewinnen. Am Freitag wurde eine Studie bekannt, laut der er in den 1980er Jahren seine herausgehobene Stellung zum Anbahnen homosexueller Beziehungen ausgenutzt hat. Zudem gibt es Vorwürfe eines Betroffenen, Vollmer habe ihn im minderjährigen Alter mehrfach sexuell missbraucht, wie die hannoversche Landeskirche mitteilte. Der Mann habe sich während der Erstellung der Studie bei der evangelischen Landeskirche gemeldet, sagte Kirchensprecher Benjamin Simon-Hinkelmann.

In der Studie schreibt der Hamburger Therapeut und Theologe Christian Braune: "Klaus Vollmer hat es in den Jahren seiner Tätigkeit in der Evangelisch-lutherischen Kirche verstanden, bewusst, zielgerichtet und konsequent Bedingungen zu schaffen, die es ihm erlaubten, missbräuchliche grenzverletzende sexuelle Beziehungen zu jungen Männern aufzunehmen." Der Gutachter wirft zudem der Landeskirche eine "mangelnde Wahrnehmung der Aufsichtspflicht" vor.

Die Vorfälle ereigneten sich im Umfeld der 1977 von dem verheirateten Familienvater Vollmer nahe Hermannsburg gegründeten Bruderschaft "Kleine Brüder vom Kreuz". Die Nachfolgeorganisation "Evangelische Geschwisterschaft" hatte den Angaben zufolge nach dem Bekanntwerden von früheren sexuellen Beziehungen und sexuellen Übergriffen gegenüber erwachsenen Männern durch Vollmer 2017 eine Aufarbeitungskommission beauftragt, deren Bericht sie jetzt auf ihrer Internetseite öffentlich machte.

Vollmer schuf hierarchische Verhältnisse

Die Untersuchung der Kommission, die teils aus Mitgliedern der Geschwisterschaft und teils aus unabhängigen Beratern bestand, fußt im Wesentlichen auf Fragebögen. Diese wurden von 110 aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Geschwisterschaft sowie Menschen aus deren näheren Umfeld beantwortet. Von 62 Männern gaben dabei fünf an, eine sexuelle Beziehung zu Vollmer gehabt zu haben. 19 erinnerten sich an "homoerotische Aspekte". Alle seien zu dem Zeitpunkt volljährig gewesen. Vollmer schuf hierarchische Strukturen und wertete Frauen ab. In den Antworten ist auch von "Guru" und einer "sektenähnlichen Struktur" die Rede.

Die Missbrauchs-Vorwürfe des damals Minderjährigen tauchen in der Studie nicht auf. Zwar habe die Landeskirche Informationen dazu an die Aufarbeitungskommission weitergegeben, sagte Simon-Hinkelmann. Wie sich in den vergangenen Wochen herausgestellt habe, jedoch nicht vollständig und in Teilen sachlich nicht richtig. "Das Landeskirchenamt hat daher jetzt disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet, die von einer anderen Landeskirche durchgeführt werden."

"Verkündigung und Machtmissbrauch widersprechen sich."

Die Landeskirche will Simon-Hinkelmann zufolge zudem eine umfassende Aufarbeitung durch externe Fachleute in Auftrag geben. Sie bittet mögliche weitere Betroffene sowie Zeuginnen und Zeugen, sich zu melden. "Das Wirken von Klaus Vollmer als Pastor muss aufgrund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse grundlegend neu bewertet werden", sagte der Sprecher. "Verkündigung des Evangeliums und Machtmissbrauch widersprechen sich."

Der von der Landeskirche mit finanzierte Abschlussbericht der Kommission liegt der "Evangelischen Geschwisterschaft" bereits seit Herbst 2020 vor. Er sei zunächst intern beraten worden, sagte die Vorsitzende des Konventsrates der Geschwisterschaft, Pastorin Claudia Brandy. Die Geschwisterschaft plane zur weiteren Aufarbeitung unter anderem eine Tagung.

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Ansprechstellen für Betroffene Sexualisierter Gewalt: Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM): https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/hilfe-finden
Zentrale Anlaufstelle .help für Betroffene von Sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie: 0800/5040112, zentrale@anlaufstelle.help, https://www.anlaufstelle.help/
Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Pastorin Dr. Karoline Läger-Reinbold: 0511/1241650, karoline.laeger-reinbold@evlka.de, https://www.praevention.landeskirche-hannovers.de

Klaus Vollmer und die "Kleinen Brüder vom Kreuz"
Klaus Vollmer (1930-2011) war ursprünglich Maschinenschlosser und machte dann eine theologische Ausbildung an der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal. Die längste Zeit seines Berufslebens war er als Pastor und Evangelist bei den Missionarischen Diensten der evangelischen Landeskirche Hannovers tätig. Weggenossen beschreiben ihn als charismatisch und bescheinigen ihm eine besondere Gabe darin, junge Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Seine Bücher und Kassetten prägten weit über Niedersachsen hinaus viele Menschen vor allem aus dem pietistisch frommen Umfeld.

1977 gründete er die Bruderschaft "Kleine Brüder vom Kreuz" mit damals 33 Brüdern. Ab Sommer 1978 war ein Gutshaus bei Hermannsburg, der "Hof Beutzen 3" deren Zentrum. Dort lebten zunächst die Familie Vollmer und einige damals ehelos lebende Brüder. Laut dem von der Nachfolge-Organisation der Bruderschaft "Evangelische Geschwisterschaft" in Auftrag gegebenen Bericht, propagierte Vollmer Ehelosigkeit und wertete Frauen ab.

Erst seit den 1990er wurden auch Frauen in die Bruderschaft aufgenommen, die sich 2011 in "Evangelische Geschwisterschaft" umbenannte. Der Hof in Hermannsburg wurde noch bis 2007 als Tagungszentrum geführt. Die Geschwisterschaft mit heute rund 60 Mitgliedern aus unterschiedlichen Berufen lebt an unterschiedlichen Orten. Ihr gehören oder gehörten auch leitenden Theologen aus der Landeskirche an.

Sie selbst hat die seit Ende 2020 vorliegende Studie 2017 in Auftrag gegeben und sieht die Anfangszeiten heute kritisch. Einer breiten Öffentlichkeit wurden die Ergebnisse erst jetzt bekannt gemacht. Diese seien zunächst intern beraten worden, sagte die Vorsitzende des Konventsrates der Geschwisterschaft, Pastorin Claudia Brandy.