Kriegskinder erzählen
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Foto: Frederike HelwigPeter Brötzmann - geboren 1941 in RemscheidDie russischen Soldaten – sie sind ganz klein und reiten auf Ponys – besetzen den Bauernhof, auf dem wir leben. Sie erschießen den großen Wolfsspitz, der dort mit uns lebt, weil er gebellt hat. Er war mein Freund. Einer von den Soldaten setzt mich auf sein Pferd und reitet mit mir durchs Dorf. An meinem Geburtstag, am 6. März 1945, beschließt meine Mutter mit uns Kindern, meiner Großmutter und noch ein paar anderen Verwandten in den Westen zu fliehen. In der Hektik vertauscht sie meinen linken und meinen rechten Schuh. Wir laufen den ganzen Tag, kilometerweit, und sie hört nicht, was ich ihr versuche zu sagen. Am Straßenrand liegen tote Menschen und Pferde, alle durcheinander. Wir schlafen in Scheunen, verlassenen Fabriken, in Zügen, in Lagern, wo es Entlausungsduschen gibt und dünne Suppe aus Gulaschkanonen. Manchmal wird der Treck bombardiert. Dabei sterben meine Großmutter und die anderen Verwandten. Nur meine Mutter, meine Schwester und ich überleben.
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Kriegskinder erzählen
Diejenigen, die Ende der 1930er-, Anfang der 1940er-Jahre geboren wurden und während des Zweiten Weltkriegs aufwuchsen, sind heute in ihrem achten Lebensjahrzehnt. Die "Kriegskinder" schauen zurück, sprechen teilweise zum ersten Mal darüber, was sie geprägt hat: Bomben, Flucht, Angst, Hunger, Krankheit, Tod, verschwundene Väter, überforderte Mütter, aber auch die Sprachlosigkeit der Nachkriegszeit – Erinnerungen an den Krieg und dessen generationsübergreifende Folgen sollten vergessen werden.