Kriegskinder erzählen
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Foto: Frederike HelwigHorst Meinardus - geboren 1941 in KölnDer Winter ist so kalt, dass auf dem Rhein Eisschollen schwimmen. Die Stadt liegt in Trümmern, ein Abenteuerspielplatz. Auf dem Weg zur Schule komme ich an der Gereonskirche vorbei. Einer der zwei Türme ist zerstört, im anderen da hängen noch die Glocken. In der Nähe des Hauptbahnhofs muss ich unter der Bahnüberführung durch, alles steht voller Ruinen. Meine Mutter erklärt mir, hier stand früher das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde. Es stehen nur noch die Außenmauern, wie von unserem Haus in der Blumenthalstraße, in dem wir vor dem Krieg wohnten. In dem eisernen Gerüst des Balkons entdecke ich Reste meines Kinderwagens. Der Dom scheint äußerlich nicht sehr kaputt zu sein, nur an einer Stelle ist wohl eine Bombe oder eine Granate eingeschlagen. Dort haben Sie eine Ziegelsteinplombe eingesetzt, damit der Turm nicht zusammenstürzt. Die Hohenzollernbrücke ist vollkommen zerstört und liegt im Rhein. An der Bastei haben amerikanische Soldaten eine Behelfsbrücke gebaut, die so genannte Pattonbrücke. Patton, das war ein amerikanischer General. Wenn da Autos, besonders LKW darüberfahren, rumpeln die Holzbohlen und machen ziemlich viel Krach. Zur Schule fahre ich mit der Straßenbahn. Die Türen sind offen, drinnen ist es voll und draußen hängen die Leute auf dem Trittbrett, ich auch. Es gibt eine neue O-Bus-Linie. Und dass ein Omnibus fährt ohne Motorenlärm, sondern ganz leise ist ein Wunder. Es rumpelt nur ein bisschen, wenn er über die Schlaglöcher fährt.
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Kriegskinder erzählen
Diejenigen, die Ende der 1930er-, Anfang der 1940er-Jahre geboren wurden und während des Zweiten Weltkriegs aufwuchsen, sind heute in ihrem achten Lebensjahrzehnt. Die "Kriegskinder" schauen zurück, sprechen teilweise zum ersten Mal darüber, was sie geprägt hat: Bomben, Flucht, Angst, Hunger, Krankheit, Tod, verschwundene Väter, überforderte Mütter, aber auch die Sprachlosigkeit der Nachkriegszeit – Erinnerungen an den Krieg und dessen generationsübergreifende Folgen sollten vergessen werden.